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Wye Design: Möbel aus recyclingfähigem Holzwerkstoff

Die minimalistischen Hocker, Bänke und Tische von in Grau und Korallrot von Wye Design sind aus einem selbst entwickelten Holzwerkstoff gefertigt.
Porträtfoto in Schwarz-Weiß der Jugendfreunde und Start-up Gründer von Wye Design: Industriedesigner Ferdinand Krämer (re.) mit dem Wirtschaftsingenieur Franziskus Wozniak (li.).
Jugendfreunde und Start-up Gründer von Wye Design: Industriedesigner Ferdinand Krämer (re.) mit dem Wirtschaftsingenieur Franziskus Wozniak (li.). Foto: Kathrin Harms
Wye Design entwirft recyclingfähige Möbel aus einem selbst entwickelten Holzwerkstoff und pulverbeschichtetem Stahlblech. Der Stil: minimalistisch, die Farben: Grau oder Korallrot.
Wye Design entwirft recyclingfähige Möbel aus einem selbst entwickelten Holzwerkstoff und pulverbeschichtetem Stahlblech. Foto: Kathrin Harms
Die hochwertigen Oberflächen von Wye Design's Möbeln aus Neolignplatten kann man abschleifen. Hier Tische und eine Bank in Grau und Korallrot.
Die hochwertigen Oberflächen von Wye Design’s Möbeln aus Neolignplatten kann man abschleifen. Foto: Kathrin Harms
Die korallfarbenen Sitzkissen von Wye Design haben das Cradle-to-Cradle-Zeichen. Die Füllung aus Kokos und Latex kann am Ende auf den Kompost.
Die Sitzkissen von Wye Design haben das Cradle-to-Cradle-Zeichen. Die Füllung aus Kokos und Latex kann am Ende auf den Kompost. Foto: Kathrin Harms
Die minimaoistischen Hocker, Bänke und Tische von Wye Design sind aus einem selbst entwickelten Holzwerkstoff gefertigt. Foto: Kathrin Harms

Wie man Ästhetik, Nutzwert und Nachhaltigkeit in Möbelstücken formschön vereint, kann man bei Wye Design im oberbayerischen Antdorf erfahren. Die Gründer haben einen neuen Holzwerkstoff entwickelt und designen damit minimalistische Möbel.

Draußen: Postkartenidylle mit Alpensilhouette. Drinnen: Industriecharme mit Betonboden und freigelegten Deckenträgern. Im ehemaligen Saustall des frisch renovierten Hofs hat das Designstudio Wye Design seinen Sitz, das zwei Jugendfreunde aus Neuburg an der Donau im September 2019 gegründet haben: Ferdinand Krämer, Industriedesigner, und Franziskus Wozniak, Wirtschaftsingenieur, beide 33 Jahre alt. Mit ihrem Start-up entwerfen sie minimalistische Möbel aus einem selbstentwickelten Holzwerkstoff. „Für uns war schon immer klar, dass wir etwas zusammen machen, etwas Neues schaffen wollen, das Sinn stiftet“, sagt Krämer. Die Liebe zur Natur hätten beide vom Elternhaus mitbekommen. Und das beengte Wohnen während ihrer Studienzeit in München sowie der Trend zum Micro Living – Wohnen auf kleinstem Raum – seien Inspiration gewesen für das Design ihrer ersten Möbel.

Krämer und Wozniak wollten nachhaltiges Möbeldesign aus der Ökoecke rausholen. Denn die sei bislang zu fast 100 Prozent auf Vollholz fokussiert, so Krämer. „Deswegen machen wir eine neue Sparte mit kreislauffähigem Material auf.“ Gemeinsam mit einem deutschen Werkstoffhersteller entwickelten die beiden Gründer den Holzwerkstoff Neolign, den Hauptbestandteil ihrer Einrichtungsstücke. „Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, bis der Hersteller bereit war, seine Maschinen für unsere Idee anzuwerfen“, so Krämer. Die Beharrlichkeit der Jungunternehmer und erste Verkaufserfolge auf Fachmessen halfen ihnen dabei.

Neolign besteht zu 83 Prozent aus Holzspänen, den Rest des Gemischs bilden Polymere und Farbpigmente. Die Holzspäne sind ein Nebenprodukten der holzverarbeitenden Industrie. Die Kunststoffbestandteile sind frei von gesundheitsschädlichen Inhalten wie Weichmachern, PVC und Formaldehyd und sorgen für Festigkeit und Stabilität, die Spanplatten nicht haben. Die Farbpigmente ermöglichen die komplette Durchfärbung. Die Neolign-Platten können zu 100 Prozent recycelt werden. „Sie kommen in den Schredder und wir machen neue Möbel draus“, erklärt Krämer.

„Wir wollen unsere Produkte an die Leute bringen, die Bock drauf haben und unsere Möbelstücke als Botschafter zum Thema Kreislauffähigkeit in ihr Wohnzimmer stellen.“

Er nimmt einen korallroten Hocker und fährt mit der Hand über die Schrägkante an der Sitzfläche, die sogenannten Fase. „Durch die Fasen habe ich keine scharfen Kanten und zeige die Qualität des Produktes sowie die Durchfärbung.“ Spanplatten würden an den Ecken ausbröseln. Neolignplatten hingegen kann man abschleifen. Und für den Gebrauch draußen mit Pflanzenöl imprägnieren. Die zierlichen Beine des roten Hockers sind aus pulverbeschichtetem Stahlblech. „Durch die Reduktion auf das Wesentliche sind sie ein kleines statisches Wunder“, sagt Krämer stolz.

Damit sich die Möbel leicht auf- und abbauen lassen, werden die Einzelteile miteinander verschraubt. Durch ein Mittelteil wird aus dem Hocker eine Bank, aus einem kleinen kann ein größerer Tisch gebaut werden. Diese modulare Bauweise spart Einzelteile, Platz im Lager und beim Versand. Ein Hocker kostet 169 Euro, ein großer Tisch 1049 Euro. Im Vergleich zu Designmarken wie Vitra liegen die Möbel von Wye Design damit eher im unteren Preissegment. „Wir wollen unsere Produkte an die Leute bringen, die Bock drauf haben und unsere Möbelstücke als Botschafter zum Thema Kreislauffähigkeit in ihr Wohnzimmer stellen.“

Die Gründer von Wye Design machen transparent, dass sie das Cradle to Cradle-Zertifikat wollen, die Kosten dafür aber ihre Möglichkeiten als Start-up übersteigen. Ihrem Material Neolign fehlt deshalb noch die Zertifizierung für den Holzwerkstoff. Der Stoff der Sitzkissen für ihre Hocker und Bänke hingegen hat das Cradle-to-Cradle-Zeichen schon. Gefüllt mit Kokos und Latex, können sie am Ende auf den Kompost.

Das Start-up gewann Preise für Nachhaltigkeit und Design

Von Anfang an gewann das Unternehmen Preise für Nachhaltigkeit und Design. Nach zwei Jahren hat es neun Mitarbeiter, die beiden Gründer eingerechnet. „Wir haben Gas gegeben“, sagt Ferdinand Krämer. Bis auf einen Starterkredit der KfW-Bank wurde alles selbst finanziert. Jetzt suchen die Gründer Investoren für die Umsetzung ihrer Zukunftspläne: Dieses Jahr wird es noch eine zweite Möbelkollektion geben, komplett aus Neolign, mit breiteren Sitzflächen für Kunden aus Gastronomie oder Hotellerie, auch für den öffentlichen Raum eignen sie sich gut. Da Krämer und Wozniak ihr Material im Spritzguss verarbeiten, können sie Neolign-Möbel mit freien Formen machen. Für den 3-D-Druck suchen sie noch nach Anwendungsmöglichkeiten. Für eine Privatwohnung planen sie gerade eine komplette Küche.

Viel zu tun, da braucht es Pausen. „Heute ist Wandertag“, sagt Krämer am Ende des Gesprächs, donnerstags geht er nach Feierabend zum Klettern in die Berge. „Natur ist für mich der essenzielle Part, der mir die Kraft für das Ganze gibt.“ Franziskus Wozniak und er wollten ihr nicht schaden und sie erhalten. „Das steckt in uns beiden vornehmst tief drin“, sagt er zum Abschied.

Erschienen in: Das Magazin 9/21 und natur 7/21. Fotos: kathrinharms.de

Nachhaltigkeit wird zur Herausforderung

Billigmöbel haben jahrelang den Markt überschwemmt. Für die verwendeten Rohstoffe werden Natur und Umwelt ausgebeutet, Möbelfabrikarbeiter und -arbeiterinnen bekommen niedrige Löhne, zudem gehen die Möbel nach kurzer Zeit kaputt und landen auf dem Müll. Nachhaltigkeit war im vergangenen Jahr der wichtigste Trend auf der internationalen Möbelmesse in Köln. Dadurch entstehen neue Herausforderungen, auch für große Anbieter. „Wenn Sie ein nachhaltiges Produkt machen möchten, dann muss es heute langlebig sein, modular, auswechselbar, die einzelnen Bestandteile müssen trennbar sein“, sagt Thorsten Ober, Leiter des Deutschen Instituts für Möbeltechnik Rosenheim. „Außerdem muss man es reparieren und recyceln können.“

Sind Massivholzmöbel die Lösung? „Das wäre toll, aber sehr kostenintensiv“, so Ober. Und: „Wir hätten gar nicht ausreichend Holz dafür. Denn es wäre nicht besonders nachhaltig, alle Wälder für Möbel einzuschlagen.“ Für den breiten Markt brauche es auch Produkte aus Rezyklaten, also recycelten Materialien, wie Span- oder Sandwichplatten, für deren Herstellung weniger Rohholz benötigt wird.

Wem als Käufer die Umweltverträglichkeit seiner Möbel wichtig ist, dem können Nachhaltigkeitssiegel eine Orientierungshilfe bieten. Aber ein solches Siegel ist für die Hersteller mit Kosten verbunden – die sich vor allem kleine Hersteller und Mittelständler oft nicht leisten können. Wer etwa das Cradle to Cradle-Zertifikat will, das Produkte ausweist, die nach den Prinzipien der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft designt und hergestellt werden, muss mit fünfstelligen Kosten rechnen.

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