Daniel und Markus Freitag haben sich mit Taschen aus LKW-Planen und kompostierbarer Mode einen Namen gemacht. Jetzt treiben sie das Prinzip Kreislaufwirtschaft auf die Spitze: Sie arbeiten an Prototypen für eine kreislauffähige LKW-Plane.
Der Schweizer Taschen- und Bekleidungshersteller FREITAG war seiner Zeit schon immer ein Stück weit voraus. Seit 1993 stellen die Züricher Taschen aus recycelten LKW-Planen her. Seit 2014 designen sie mit F-abric Mode aus einem eigens hergestellten Stoff, die nach Gebrauch komplett auf dem Kompost verrotten kann. Das Denken und Handeln in Kreisläufen gehört seit über 25 Jahren zu ihrer Firmenphilosophie. „Heute denken wir vor allem darüber nach, wie wir der uns vorgelagerten Transportindustrie zu einem zirkulären Material verhelfen können – was uns selber ermöglichen wird, in endlosen Kreisläufen zu handeln», sagt Daniel Freitag.
Um den Kreis vollends zu schließen, arbeiten die Züricher jetzt an einer kreislauffähigen LKW-Plane, damit die Transportindustrie ein bisschen grüner wird. Denn was der bisher fehlt, ist ein zukunftsfähiges Material in einem geschlossenen Kreislauf, das endlos recycelt werden kann. Also LKW-Planen, die nach Gebrauch – und einem zweiten Leben als FREITAG-Taschen – nicht in in der Müllverbrennungsanlage enden.
Vor einem guten Jahr haben die Züricher beschlossen, dass sie an diesem Zustand etwas ändern wollen und die Entwicklung einer neuartigen, kreislauffähigen Plane angestoßen. Diese Plane soll genauso robust, langlebig, wasserabweisend und praktisch sein wie die bestehende aus PVC. Anstatt im Müll soll die neue Plane später im biologischen oder im technischen Kreislauf landen. Das heisst, sie wird sich biologisch zersetzen oder kann sich in technische Stoffe zerlegen lassen, aus denen dann wieder neue Planen oder andere Produkte entstehen.
FREITAG ist bei dem Projekt nach eigenen Aussagen Ideengeber, Antreiber und spiritueller Beifahrer. Über Kontakte aus dem Tagesgeschäft wie Speditionen und Planen-Konfektionäre hat das Projektteam die Planenlieferkette nach Partnern mit dem benötigten Material-, Chemie- und Verbund-Know-How Ausschau gehalten. Zusammen mit Unternehmen und Institutionen aus dem Bereich der Kreislauffähigkeits- und Materialprüfung ist so ein Kollektiv entstanden, das gemeinsam an der Planenrevolution arbeitet.
Damit wirklich alle Herstellungsschritte und chemischen Bestandteile als kreislauffähig bezeichnet werden können, werden sie von EPEA* nach der von Michael Braungart und William McDonough entwickelten Cradle to Cradle®-Methodik bewertet. „Mit diesem maximalen Anspruch, den wir an den Begriff der Kreislauffähigkeit stellen, machen wir es uns nicht gerade einfach“, sagt Anna Blattert, eine von zwei Expertinnen, den sogenannten Circular Technologists bei FREITAG.
Erste Materialprototypen – Verbindungen verschiedener Gewebe und Beschichtungsmaterialien – die in den bisherigen Tests positiv überrascht haben, liegen vor. „Dass das biologisch basierte Beschichtungsmaterial in praxisnahen Belastungstests teilweise sogar besser abschneidet als klassische Kunststoffe, freut mich ganz besonders. Diesen Weg wollen wir unbedingt weiterverfolgen, auch wenn dies noch einiges mehr an Entwicklungsarbeit erfordert“, erklärt Bigna Salzmann, ebenfalls Circular Technologist.
Nächstes Jahr sollen erste Planenprototypen auf Lastwagen aufgezogen werden und für Praxistests auf die Straße. Wann eine kreislauffähige Plane in Serienproduktion gehen und der LKW-Planen-Kreislauf geschlossen werden kann, ist jedoch schwer vorhersagbar. Geht es nach FREITAG, darf es nicht mehr allzu lange dauern, denn LKW-Planen werden im Durchschnitt nur alle fünf Jahre ausgemustert. Und erst danach können daraus Taschen im geschlossenen Planenkreislauf genäht werden.
* EPEA – Part of Drees & Sommer, bewertet Materialien nach der Cradle to Cradle®-Methodik auf umfassende Materialgesundheit für Mensch und Umwelt, technische Rezyklierbarkeit sowie Implementierung eines Rücknahmesystems.