Design. Forschung. Neue Materialien

Freitag: Designen im Kreis

Stilleben des Künstlers und Fotografen Nicolas Polli, der sich für dieses Bild von Freitags Experimentierkiste inspirieren ließ.
Die Brüder Daniel Freitag (li.) und Markus Freitag (re.) gründeten 1993 ihr Designunternehmen FREITAG in Zürich. Hier sitzen sie nebeneinander auf grünen Hockern vor einer grünen Wand.
Die Brüder Daniel Freitag (li.) und Markus Freitag (re.) nähten 1993 aus LKW-Planen die erste Tasche für velofahrende Großstädter. Kurz darauf gründeten sie ihr Designunternehmen FREITAG in Zürich. Foto: Roland Taennler
Jetzt geht das Zürcher Unternehmen den nächsten Schritt und entwickelt mit Partnern eine kreislauffähige LKW-Plane. Damit in Zukunft FREITAG-Taschen endlos recycelt werden können. Als Sinnbild, hier ein Truck mit einer rot-weißen Plane.
Jetzt geht das Zürcher Unternehmen den nächsten Schritt und entwickelt mit Partnern eine kreislauffähige LKW-Plane. Damit in Zukunft FREITAG-Taschen endlos recycelt werden können. Foto: FREITAG
Porträtfoto der beiden Circular Technologists Anna Blättert (li.) und Bigna Salzmann (re.), die bei FREITAG an der Entwicklung einer kreislauffähigen LKW-Plane arbeiten. Hier sitze die Beiden auf zusammengefalteten LKW-Planen.
Die beiden Circular Technologists Anna Blättert (li.) und Bigna Salzmann (re.) arbeiten bei FREITAG an der Entwicklung einer kreislauffähigen LKW-Plane. Foto: Roland Taennler
Stilleben des Künstlers und Fotografen Nicolas Polli. Foto: Nicolas Polli

Daniel und Markus Freitag haben sich mit Taschen aus LKW-Planen und kompostierbarer Mode einen Namen gemacht. Jetzt treiben sie das Prinzip Kreislaufwirtschaft auf die Spitze: Sie arbeiten an Prototypen für eine kreislauffähige LKW-Plane.

Der Schweizer Taschen- und Bekleidungshersteller FREITAG war seiner Zeit schon immer ein Stück weit voraus. Seit 1993 stellen die Züricher Taschen aus recycelten LKW-Planen her. Seit 2014 designen sie mit F-abric Mode aus einem eigens hergestellten Stoff, die nach Gebrauch komplett auf dem Kompost verrotten kann. Das Denken und Handeln in Kreisläufen gehört seit über 25 Jahren zu ihrer Firmenphilosophie.  „Heute denken wir vor allem darüber nach, wie wir der uns vorgelagerten Transportindustrie zu einem zirkulären Material verhelfen können – was uns selber ermöglichen wird, in endlosen Kreisläufen zu handeln», sagt Daniel Freitag. 

Um den Kreis vollends zu schließen, arbeiten die Züricher jetzt an einer kreislauffähigen LKW-Plane, damit die Transportindustrie ein bisschen grüner wird. Denn was der bisher fehlt, ist ein zukunftsfähiges Material in einem geschlossenen Kreislauf, das endlos recycelt werden kann. Also LKW-Planen, die nach Gebrauch – und einem zweiten Leben als FREITAG-Taschen – nicht in in der Müllverbrennungsanlage enden. 

Vor einem guten Jahr haben die Züricher beschlossen, dass sie an diesem Zustand etwas ändern wollen und die Entwicklung einer neuartigen, kreislauffähigen Plane angestoßen. Diese Plane soll genauso robust, langlebig, wasserabweisend und praktisch sein wie die bestehende aus PVC. Anstatt im Müll soll die neue Plane später im biologischen oder im technischen Kreislauf landen. Das heisst, sie wird sich biologisch zersetzen oder kann sich in technische Stoffe zerlegen lassen, aus denen dann wieder neue Planen oder andere Produkte entstehen.

FREITAG ist bei dem Projekt nach eigenen Aussagen Ideengeber, Antreiber und spiritueller Beifahrer. Über Kontakte aus dem Tagesgeschäft wie Speditionen und Planen-Konfektionäre hat das Projektteam die Planenlieferkette nach Partnern mit dem benötigten Material-, Chemie- und Verbund-Know-How Ausschau gehalten. Zusammen mit Unternehmen und Institutionen aus dem Bereich der Kreislauffähigkeits- und Materialprüfung ist so ein Kollektiv entstanden, das gemeinsam an der Planenrevolution arbeitet. 

Damit wirklich alle Herstellungsschritte und chemischen Bestandteile als kreislauffähig bezeichnet werden können, werden sie von EPEA* nach der von Michael Braungart und William McDonough entwickelten Cradle to Cradle®-Methodik bewertet. „Mit diesem maximalen Anspruch, den wir an den Begriff der Kreislauffähigkeit stellen, machen wir es uns nicht gerade einfach“, sagt Anna Blattert, eine von zwei Expertinnen, den sogenannten Circular Technologists bei FREITAG. 

Erste Materialprototypen – Verbindungen verschiedener Gewebe und Beschichtungsmaterialien – die in den bisherigen Tests positiv überrascht haben, liegen vor. „Dass das biologisch basierte Beschichtungsmaterial in praxisnahen Belastungstests teilweise sogar besser abschneidet als klassische Kunststoffe, freut mich ganz besonders. Diesen Weg wollen wir unbedingt weiterverfolgen, auch wenn dies noch einiges mehr an Entwicklungsarbeit erfordert“, erklärt Bigna Salzmann, ebenfalls Circular Technologist.

Nächstes Jahr sollen erste Planenprototypen auf Lastwagen aufgezogen werden und für Praxistests auf die Straße. Wann eine kreislauffähige Plane in Serienproduktion gehen und der LKW-Planen-Kreislauf geschlossen werden kann, ist jedoch schwer vorhersagbar. Geht es nach FREITAG, darf es nicht mehr allzu lange dauern, denn LKW-Planen werden im Durchschnitt nur alle fünf Jahre ausgemustert. Und erst danach können daraus Taschen im geschlossenen Planenkreislauf genäht werden.

* EPEA – Part of Drees & Sommer, bewertet Materialien nach der Cradle to Cradle®-Methodik auf umfassende Materialgesundheit für Mensch und Umwelt, technische Rezyklierbarkeit sowie Implementierung eines Rücknahmesystems.

Historie Freitag lab

Die Brüder Markus und Daniel Freitag fanden als Grafik-Studenten keine passende Tasche, um ihre Entwürfe mit dem Fahrrad durchs verregnete Zürich zu transportieren. Also nähten sie eine robuste, wasserdichte Tasche – aus einer ausrangierten LKW-Plane, einem gebrauchten Autogurt und einem alten Fahrradschlauch. Freunde wollten die Kuriertasche ebenfalls haben, erste Shops und Museen fragten danach. Stylische Taschen aus recycelten Materialien waren etwas Neues. 1993 gründeten die Brüder ihr Designunternehmen und nannten es schlicht FREITAG (heute FREITAG lab).
Heute hat die Firma 250 Mitarbeiter und produziert in Nähereien in der Schweiz, in Tschechien, Bulgarien, Rumänien und Portugal Taschen sowie Hüllen für Laptops, Tablets, Smartphones, auch Geldbeutel, alles Unikate.
500 000 Stück Taschen und Accessoires verkauft Freitag im Jahr in 28 eigenen Shops in Europa Asien und Australien über 300 Händlern weltweit und im eigenen Online-Store mit über 4000 Produkten. Umsatzzahlen veröffentlichen sie keine. Eine der ersten Freitag-Taschen wurde in die Design-Kollektion des Museum of Modern Art in New York aufgenommen.

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