Design. Interview. Möbeldesign. Siegel

„Langlebige Möbel sind nachhaltig“, Daniel Tigges, Eco-Institut

Porträtfoto von Daniel Tigges, Geschäftsführer des Kölner Eco-Instituts. Er trägt ein schwarzes T-Shirt, eine schwarze Brille.
Daniel Tigges, Geschäftsführer des Kölner Eco-Instituts. Foto: Eco-Institut

Daniel Tigges vom Kölner Eco-Institut im Interview über Schadstoffe und Emissionen im Holz, Gütesiegel für Möbel – und darüber, warum es für Konsumenten so schwer ist, Lieferketten zu durchschauen.

Ellen Köhrer: Für Möbel und Einrichtungsgegenstände existieren keine rechtlichen Anforderungen in Bezug auf Emissionen, bedenkliche Inhaltsstoffe oder Gerüche. Wie wird das stattdessen geregelt?

Daniel Tigges:  Es gibt eine Chemikalienverbotsverordnung für Holzwerkstoffe und Grenzwerte für Formaldehyd, die auch für Möbel gelten. Im Produktsicherheitsgesetz steht außerdem, dass von Produkten keine gesundheitliche Gefährdung ausgehen darf. Ein Hersteller muss für seine Produkte geradestehen. Das Thema Emissions- und Schadstoffarmut wird für Möbel in der Regel über freiwillige Label und den Markt geregelt.

Welches sind typische Schadstoffe und Gerüche bei Holz?
Als organisches Material emittiert Holz natürlich flüchtige Substanzen, zum Beispiel Terpene. Beim Nadelholz ist das der typische Weihnachtsbaumgeruch. Sind diese Substanzen im Innenraum zu stark und man lüftet zu wenig, kann das störend sein. Ob sie schädlich sind oder nicht, kann man nicht eindeutig sagen. Das ist immer konzentrationsabhängig. Es gibt dafür Innenraum-Richtwerte und die Produktbewertung, die unter anderem in Ausschüssen im Umweltbundesamt definiert wurden. Das sind keine rechtlichen Grenzwerte, aber Werte, die darstellen, in welcher Konzentration eine Substanz oder eine Substanzgruppe für die Gesundheit im Allgemeinen toxikologisch relevant wird. Die Kriterien vertrauenswürdiger unabhängiger Produktlabel orientieren sich an diesen Werten.

Welche Holzarten sind am umweltfreundlichsten?
Das ist schwer zu sagen. Die Ökobilanz eines Möbelstücks zeigt sich nicht auf den ersten Blick. Beispielsweise kann heimisches Holz nach China verschifft, dort verarbeitet und als Möbel wieder zu uns zurückgebracht werden. Das ist dann zwar beispielsweise aus heimischer Eiche, es wurde aber einmal rund um den Erdball geschickt.

Auf welche Siegel sollte man beim Holzkauf achten?
Beim FSC- und dem PEFC-Label geht es um die nachhaltige Waldbewirtschaftung. Das FSC-Zeichen ist zum Beispiel bei Tropenhölzern wichtig, das findet man vor allem bei Möbeln für den Außenraum. In Europa gibt es auch das PEFC-Zeichen. Aber nicht alle Wälder in Deutschland sind PEFC-zertifiziert. Und: Ein Wald ohne Label kann sogar nachhaltiger sein. Diese Lieferketten zu durchschauen ist leider für den Verbraucher sehr schwierig.

„Es gibt Hersteller, die eigene Label für ihre Produkte kreieren. Sie wurden von der Marketingabteilung erstellt“

Was sind die wichtigsten Gütesiegel für Holzmöbel, die dem Verbraucher garantieren, dass es umweltfreundlich und gesundheitlich unbedenklich ist?
Deutschsprachige Siegel wie Der Blaue Engel, das Eco-Institut-Label oder das Ökocontrol-Zeichen vom Verband ökologischer Einrichtungshäuser geben eine sehr gute Orientierung. Das Goldene M von der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel deckt – neben Gesundheit, Umweltschutz und Sicherheit – auch die mechanischen Qualitäten von Möbeln ab. Denn auch wenn man hochwertige Möbel kauft, die langlebig sind, ist das ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Wie problematisch sind Zusatzstoffe, mit denen Holzmöbel behandelt und verarbeitet werden?
Die Beschichtung von Holzmöbeln, zum Beispiel mit Lacken oder Ölen, ist für deren Gesamtemissionen relevant. Der Geruch von Naturölen wie Leinöl kann störend sein, wenn eine Person sensibel ist. Giftig ist diese Ausdünstung in der Regel nicht und sie verschwindet auch nach einer gewissen Lüftungszeit. Der anfängliche, zum Teil deutliche Geruch ist bei einem solchen Produkt normal. Im Umkehrschluss wiederum ist es nicht so, dass etwas immer ungiftig sein muss, nur weil ich nichts rieche. Viele gefährliche Schadstoffe riechen wir nicht. Deshalb sind Produktprüfungen für Hersteller so wichtig.
Sie müssen sich informieren, was im Holz selbst und in den Zukaufprodukten wie Kunststoffen, Schäumen, Lacken, Klebstoffen steckt. Für Label wie den Blauen Engel, das Goldene M oder das Eco-Institut-Label prüfen wir die Produkte mit einem vorgefertigten Programm ab, das ein breites Feld der Emissionen abdeckt und nicht nur auf eine Substanz schaut. Zwischen den Labeln gibt es natürlich Unterschiede. Generell kann man sagen, dass alle Label einen vernünftigen Umfang gewählt haben.

Angenommen, ich will Möbel selber bauen und dafür günstiges Holz im Baumarkt kaufen. Welche Siegel stehen dort für Umweltfreundlichkeit?
Holz mit FSC- oder vergleichbaren Siegeln finden Sie dort auch. Dasselbe gilt für Holzwerkstoffe wie Faser- oder Spanplatten. Sie finden dort auch Siegel wie den Blauen Engel, der emissions- und schadstoffarme Werkstoffe kennzeichnet.

Ich kann mich also beim Möbelkauf auf Nachhaltigkeitssiegel verlassen?
Der Verbraucher muss sich informieren über die Produkte, die er kauft. Da helfen die Label auf jeden Fall. Man muss jedoch aufpassen. Es gibt Hersteller, die eigene Label für ihre Produkte kreieren. Sie wurden von der Marketingabteilung erstellt und nicht von einer unabhängigen Stelle vergeben. Das kennt man aus dem Textil- oder Lebensmittelbereich. Man muss schauen, was einem wichtig ist, man findet kein Label, das alles abdeckt. Verbraucherzentralen und Organisationen haben hierzu hilfreiche Leitfäden veröffentlicht, welche Siegel und Label vertrauenswürdig sind.

Bearbeitete Version. Erschienen in: natur 7/21. Foto: Eco-Institut

Kurzbiografie

Daniel Tigges ist Diplom-Holzwirt, gelernter Zimmermann und einer von zwei Geschäftsführern des Kölner Eco-Instituts, einem auf Produktemissionen spezialisierten, akkreditierten Prüflabor. Das Institut prüft Möbel, Matratzen, Bauprodukte und Elektrogeräte auf Schadstoffemissionen in der Raumluft und vergibt das Eco-Institut-Label für Möbel. Als Prüfstelle für alle maßgeblichen Label im Möbelbereich kooperieren sie mit Öko-Control sowie der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel, die das Goldene M vergeben. Tigges arbeitet seit 10 Jahren beim Eco-Institut, davor war er unter anderem im Möbelbereich tätig.

Welche sind die 7 wichtigsten Siegel für Holz und Möbel und was bedeuten sie?

BLAUER ENGEL
Zertifiziert emissionsarme Möbel und Lattenroste aus Holz und Holzwerkstoffen aus legalem Anbau, legal heißt jedoch nicht unbedingt nachhaltig. 50 Prozent der dafür verwendeten Holzwerkstoffe müssen aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen. Auch besonders nachhaltige Lacke für innen und Holzöle für draußen bekommen einen Blauen Engel.

CRADLE TO CRADLE
Auszeichnung für Interior Design und Möbel nach dem Cradle-to-Cradle-Designkonzept, das eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft propagiert. Prüfung auf Materialgesundheit, Materialwiederverwendung, erneuerbare Energien und Kohlenstoffmanagement, Wasserverantwortung und soziale Fairness.

DAS GOLDENE M
Siegel der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel, das Gesundheit, Umweltschutz und Sicherheit sowie mechanische Qualitäten von Möbeln abdeckt.

ECO-INSTITUT-LABEL
Zertifiziert besonders emissions- und schadstoffarme Möbel, Matratzen, Einrichtungsgegenstände und Bauprodukte.

ÖKOCONTROL-ZEICHEN
Schadstoff-Prüfsiegel für Möbel, Polstermöbel, Matratzen, Bettwaren und Heimtextilien aus natürlichen Materialien, vergeben vom Verband ökologischer Einrichtungshäuser.

FSC (Forest Stewardship Council)
Soll Holz aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft mit hohen Umwelt- und Sozialstandards aus zertifizierten Forstbetrieben garantieren. Unter den rund 200 Mitgliedern in Deutschland sind auch der WWF, der Nabu und der BUND. Greenpeace ist nicht mehr dabei, da das FSC-Siegel auch an industrielle Holzfirmen vergeben wird, die Urwälder beispielsweise in Russland und dem Kongobecken nutzen.

PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes)
Ähnlich wie FSC, die großen Umweltverbände raten aber davon ab, weil es für dieses Siegel keine unabhängige Kontrolle gibt.

SCAN4CHEM (Smartphone-App)
Über die App des Umweltbundesamtes können Verbraucher Anfragen an Produktanbieter stellen. Ist ein besonders besorgniserregender Stoff in einem Gebrauchsgegenstand in einer Konzentration von über 0,1 Gewichtsprozent enthalten, muss der Anbieter den Kunden auf Anfrage darüber informieren. Weitere Informationen und Download: Umweltbundesamt

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