Während der Dutch Design Week habe ich Wisse Trooster, Designer und Kurator der Isola Talents Factory interviewt. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung in der Schellens Fabriek, sprachen wir über junge Designtalente und was ihre Entwürfe so innovativ macht sowie über seine Arbeit als Kurator und Designer.
Eindhoven im Süden der Niederlande gilt als Technologiestandort und Designhochburg. Jedes Jahr im Oktober findet dort mit der Dutch Design Week (DDW) die größte Designmesse Nordeuropas statt. Wegen der Pandemie gab es letztes Jahr nur eine Onlineversion. Diese Zeit hat unsere Sicht auf die Dinge verändert. Das Motto der diesjährigen DDW lautet also: „The Greater Number“. Im Fokus steht die Suche nach dem ‚Weniger ist Mehr‘. Und nach nachhaltigeren Produkte mit höherer Qualität, die länger halten. In einer ehemaligen Textilfabrik im Zentrum von Eindhoven zeigen Nachwuchsdesigner ihre Arbeiten. Nach meinem Rundgang durch die Ausstellung spreche ich mit dem Kurator und Designer Wisse Trooster im Café nebenan bei Espresso und Schokokugeln.
Ellen Köhrer: Isola ist eine italienisch-niederländische Design Community und Design-Plattform. Bei der Dutch Design Weeks zeigt ihr die Arbeiten von über 60 Designern an zwei Orten. Du bist der Kurator der Isola Design Factory hier in der Schellens Fabriek, was ist das Besondere an deiner Ausstellung?
Wisse Trooster: Auf meine Initiative fördert die Isola Talents Factory zum ersten Mal Designer, die in den Niederlanden dieses und letztes Jahr ihren Abschluss gemacht haben, ein paar davon sind aus Amerika. Außerdem zeige ich hier außergewöhnliche Entwürfe von Designstudenten. Ich wollte eine breite Palette von Designs auf hohem Niveau zeigen. Der Schwerpunkt liegt auf nachhaltigem Design und aufstrebenden Talente, die in naher Zukunft herausragen werden.
Wer ist für dich die innovativste Designerin, der innovativste Designer?
Ich mag Teun Zwets, Absolvent der Design Academy Eindhoven 2020, weil er für seine Möbel und Lampen viele verschiedenen Materialien verwendet und jemand ist, der eine ganz eigene Herangehensweise an Design hat. Die meisten Designer konzentrieren sich auf eine Sache und wollen sie bis auf den Millimeter perfekt machen. Für Teun geht es mehr um die Form und um das Glücksgefühl, mit Material, das er auf der Straße findet, High-End-Design zu schaffen.
Seine Entwürfe sind eine Mischung aus Nonsens-Design und der Verwendung von recycelten Materialien. Er zeigt, dass man damit schöne Dinge machen kann, die nicht perfekt sein müssen. Er hat bereits in Galerien ausgestellt und gerade bei der Dutch Design Week den Nachwuchspreis Kazerne Design Award gewonnen.
Und welche Arbeiten ragen noch heraus?
Auch Soft Silicia von der kanadischen Designerin Sarah Rosemann – sie hat dieses Jahr ihren Abschluss an der Design Academy Eindhoven gemacht – gefällt mir sehr gut. Ihre Arbeiten liegen an der Grenze zwischen Textil- und Glasarbeiten. Sie stellt mit weichem Siliziumdioxid eine Art Textilien aus Glasscherben her und macht daraus skulpturale Gefäße.
Außerdem mag ich Kunst-S von Lisanne Kamohuis. Sie stell ein Plattenmaterial aus einhundert Prozent Kunststoffabfällen her und ha es innerhalb nur eines Jahres geschafft, mit ihren Maschinen sehr große Platten herzustellen (2,35 x 1,15 Meter mit einer Stärke von 12, 16 und 22 Millimetern). Das ist ziemlich beeindruckend weil andere Unternehmen bisher nur kleinere Platten herstellen konnten. Ich bin also neugierig und freue mich darauf, zu sehen, wie groß sie die Platten noch entwickeln kann.
Wisse Trooster zeigt auf seinem Mobiltelefon Fotos mit Taschenentwürfen aus einem durchscheinenden orangefarbenen Material. Aus was beseht das?
Das hier ist die Seetang-Kollektion von Jana-Aimee Wiesenberger. Sie hat ein lederähnliches Biomaterial aus Seetang hergestellt.
Es ist schön zu sehen, dass Designer wie sie, Materialproben in verschiedenen Stadien zeigen. Man sieht ihre Materialforschung. Verfolgt man ihren Weg weiter, kann man sehen, wie sie es daraus ein Produkt entwickeln, das man benutzen kann.
Das ist das Gute an der Dutch Design Week, man kann hier Produkte sehen, die gerade erst fertig geworden sind. Wie der Hemp Chair von 56 Hours Design Studio aus einem Biokompositmaterial. Was wir in der Ausstellung zeigen ist die erste Version davon. Er ist noch nicht stabil genug, um darauf zu sitzen. Noch ist es ein Konzept, vielleicht sehen wir in ein paar Jahren das fertige Produkt.
„Ich mag Leute, die qualitativ hochwertiges Design herstellen, denn das ist für mich nachhaltig.“
Was eint die Designerinnen und Designer in der Ausstellung?
Ich mag Leute, die qualitativ hochwertiges Design herstellen, denn das ist für mich nachhaltig. Stellt man einen Stuhl aus Aluminium her, den man Jahrzehnte hat, ist das für mich nachhaltiger als ein Stuhl aus Pappe, den man nach fünf oder zehn Jahren recyceln muss.
In der zweiten Ausstellung von Isola in der Pennings Foundation zeigst du deine eigene Arbeiten?
Ja, meine Circular Wandleuchten. Ich wollte eine Produktlinie machen, die auf den ersten Blick wie ein schönes Produkt aus Terrazzo aussieht. Schaut man genauer hin, entdeckt man Glasstücke und eine Schraube im Material. Sie besteht aus wiederverwerteten Materialien wie Bodenasche und recycelten Kunststoffplatten. Die nachhaltige Herstellung soll ein zusätzlicher Kaufanreiz sein. Ich habe nämlich festgestellt, dass die meisten Leute mit dem Kopf voller Informationen über das Material von der Ausstellung heimgehen, die Lampe aber nicht bei sich zu Hause sehen.
Hochwertiges Design und eine hohe Qualität stehen also im Vordergrund?
Wenn ich ein Produkt aus recycelten oder upcycelten Materialien herstellen kann, dann muss ich das tun. Wenn ich etwas entwerfe, das ich nicht so herstellen kann, dann sollte es Jahrzehnte halten. Das ist meine Art, Produkte zu betrachten und Dinge herzustellen. Das ist auch die Art und Weise, wie ich Designer auswähle, die ich auf der Plattform haben möchte.
Was ist der Kern deiner Arbeit als Designscout, Kurator und Designer?
Mir geht es darum, Dinge zu sehen, sie zu kombinieren und zu verbinden und damit großartige Möglichkeiten zu schaffen. Das mache ich, wenn ich diese Show für junge Designer hier veranstalte oder wenn ich ein nachhaltiges Material für mein Design finde. Ich bin neugierig, ich erkunde gerne Neues. Wenn ich viel zu tun habe, gehe ich in ein Museum, um mich zu entspannen.