Wie die Zukunft von Mode und Textilien in Dänemark aussieht, hat Creative Denmark, ein Public Private Partnership zur Förderung der dänischen Kreativwirtschaft, in der Studie „Nachhaltigkeit durch Design“ veröffentlicht. Im Fokus stehen ganzheitliche Geschäftsmodelle, die Zusammenarbeit in der Mode- und Textilbranche sowie eine verantwortungsvoller Beschaffung. Dazu gibt’s Fallbeispiele von Unternehmen wie Aiayu, Ganni und Son of a Tailor.
Für Federica Marchionni von der Global Fashion Agenda, lautet die oberste Priorität in der Mode: „Über 80 Prozent aller produktbezogenen Umweltauswirkungen werden in der Entwurfsphase festgelegt. Würde man der Verlängerung der Lebensdauer und der Minimierung der Auswirkungen eines Produkts zu Beginn der Wertschöpfungskette Priorität einräumen, könnten die schädlichen Folgen von Herstellung und Abfall erheblich reduziert werden… Designer haben es in der Hand, diesen Wandel anzuführen.“
Strategisches Design Thinking
Wie Strategisches Design Thinking in der Modebranche eingesetzt werden kann, erklärt Ulla Ræbild, Professorin an der Design Schule Kolding, im Interview: „Wir müssen Design Thinking einsetzen, um zunächst zu verstehen, wie wir Systeme entwerfen und entwickeln können, um neue innere Kreisläufe zu aktivieren, z. B. Wiederverkauf, Umgestaltung und Reparatur. Und zweitens, wie wir das mechanische oder chemische Recycling von Fasern gestalten können, um sicherzustellen, dass regenerierte Fasern aus ausrangierten Textilien tatsächlich zu neuen attraktiven und relevanten Produkten werden können und nicht nur eine weitere Form von Abfall sind.“
Zusammengehörigkeit in der Modebranche
Frederik Larsen, von der Kommunikationsagentur In futurum, plädiert für mehr Zusammenarbeit, um mehr Schlagkraft für den dringend notwendigen Wandel zu erreichen. „Damit Unternehmen kreative Lösungen entwickeln,Vertrauen in ihre Lieferketten aufbauen und sicherstellen können, dass sie über die erforderlichen Ressourcen verfügen, ist eine Zusammenarbeit erforderlich. Durch den Zugang zu Informationen, die Transparenz zwischen den Akteuren der Branche und die Bereitschaft, neue Lösungen und Wissen auszutauschen, besteht die Möglichkeit, echte Wirkung zu erzielen.“
Organic Basics und World Wildlife Fund: Pilotprojekt Biobaumwolle
Das Modeunternehmen Organic Basics fördert in der Türkei gemeinsam mit dem World Wildlife Fund seit 2020 den Umbau von konventionellem auf regenerativen ökologischen Anbau von Baumwolle auf einer Fläche von 70.000 Quadratmetern – das entspricht etwa sieben Fußballfeldern.
Intelligente Materialauswahl
Suzi Christoffersen von Closed Loop, einer Unternehmensberatung für die nachhaltige Entwicklung von textilen Materialien, betont, dass es bei intelligenten Materialentscheidungen um die eine ganzheitliche Betrachtung der gesamten Lieferkette geht. „Es wäre einfach genug, nur recycelte Polyester und Bio-Baumwolle zu verwenden, aber auch das hätte Auswirkungen… Stattdessen muss bei jeder Entscheidung berücksichtigt werden, wie sie sich auf andere Bereiche auswirken wird. Eine intelligente Materialauswahl ergibt keine einfache oder schnelle Antwort. Stattdessen sind sie ein Weg, um eine vollständige Lebenszyklusbewertung für jede Faser und jedes Produkt zu erstellen. Das ist ein langwieriger und mühsamer Arbeitsablauf, aber es ist der einzige Weg, um den korrekten Fußabdruck jedes hergestellten Produkts zu erkennen.“
Aiayu: Luxuriöse Naturfasern
Die nachhaltige Luxusmarke Aiayu verwendet für ihre hochwertigen Strickkollektionen beispielsweise mit Yak- und Satuur-Schafwolle aus der Mongolei – beide von Natur aus weich und luxuriös. Für die Beschaffung der Materialien arbeiten sie mit dem Green Gold Animal Health Projekt zusammen, einem Entwicklungsprogramm, das sich für den Schutz der mongolischen Graslandschaften und den Lebensunterhalt der nomadischen Hirten einsetzt.
Verantwortung für Mensch und Umwelt
Pura Utz hat sich auf auf handgefertigte, hochwertige Perlenarbeiten spezialisiert und wird von Kopenhagen und Santiago Atítlan in Guatemala geleitet. Ein Team aus Kunsthandwerkerinnen produziert die Accessoires. Modernes Design wird so mit den Traditionen der Maya-Weberei verknüpft. Damit wird das Know-how der Frauen, ihre Fähigkeiten und ihr Talent sowie die lokale Gemeinschaft gefördert..
Die Macht von Zertifizierungen
Nille Skalts von Nordic B Corp weiß um die negativen Folgen der Wertschöpfungskette in der Mode- und Textilbranche. Fehlinformationen und Greenwashing würden diese verstärken. Für mehr Transparenz und Vertrauen der Konsumenten bräuchte es deshalb Zertifizierungen. „Die Unterstützung durch externe Sachverständige, die eine Zertifizierung bietet, ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass positive Auswirkungen durch Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen unterstützt werden. Die Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung ist Ihre Lizenz zu Handeln… Mit Blick auf die Zukunft reicht die Zertifizierung von Materialien, Produkten oder Produktionsprozessen nicht aus. In einem zukunftsfähigen Unternehmen ist Verantwortung die Essenz eines Unternehmens.“
Tomorrow Denim: Nordic Swan- und EU-Ecolabel
Die Jeans von Tomorrow Denim tragen die (laut Studie) strengsten Umweltzertifizierungen weltweit, den Nordic Swan und das EU-Ecolabel. Für die Zertifizierungen müssen der Prozess und alle Komponenten zu 100 Prozent rückverfolgbar sein. Ein großer Teil des Erfolgs bei den Zertifizierungen ist auf die Einrichtung eines Produktionsbüros zurückzuführen, das direkt bei den Denim-Lieferanten des Labels angesiedelt ist und wo der komplexe Prozess der Zusammenarbeit mit innovativen Herstellern verwaltet wird.
Wiederverkauf als Instrument für grünen Wandel
Else Skjold von der Royal Danish Academy, ist davon überzeugt, dass das Volumen der neu hergestellten Produkte drastisch gesenkt werden muss, und dass gleichzeitig mit demselben Produkt durch den Wiederverkauf viele Einnahmen erzielt werden können. „Derzeit werden neun Prozent aller Bekleidungseinkäufe in Dänemark über den Wiederverkauf abgewickelt, und der Markt wird immer vielseitiger und besteht aus einer Vielzahl von Online- und physischen Plattformen – von traditionellen NGOs bis hin zu luxuriösen Vintage-Läden. Technologische Lösungen… werden für die Ausweitung des Wiederverkaufsmarkts wichtig sein… Unabhängig davon wird dieser Markt nicht vollständig funktionieren, wenn wir das Wertversprechen der Mode nicht völlig neu definieren, weg von der derzeitigen Konzentration auf Neuheiten und saisonale Trends, hin zu einer Konzentration auf eine breite Palette von Nischenmärkten, die an die tatsächlichen Bedürfnisse der Verbraucher angepasst sind.“
Lærke Bagger: Upcycling-Strickwaren, Slow Fashion und Co-Design
Die Strickwarenmarke Lærke Bagger hat sich auf auf Upcycling, Slow Fashion und Co-Design spezialisiert. Sie arbeiten mit der kunsthandwerklichen Community und mit der Modebranche zusammen. Durch Upcycling von überschüssigem Material, Restposten, Rollenenden, ausrangierten Gegenständen und „Fundstücken“ werden einzigartige, persönliche und trendresistente Kleidungsstücke hergestellt. Das Strickdesign kann man entweder als handgefertigte Produkte auf Bestellung oder als Strickmuster oder Anleitung zum Upcycling kaufen.
Stärkung der Nachhaltigkeit durch Digitalisierung
Heidi Svane Pedersen vom Innovationsnetzwerks Lifestyle & Design Cluster, setzt sich für den Einsatz Blockchain-Technologie und Künstlicher Intelligenz in der Bekleidungsbranche, im Interior und der Kreativwirtschaft ein. „Die Blockchain-Technologie bietet ein großes Potenzial für Transparenz, da die Daten in einer Blockchain gespeichert sind und nicht manipuliert werden können. Für kleinere Marken, die nicht über die Ressourcen für eine Zertifizierung verfügen, aber ihr verantwortungsbewusstes Geschäftsmodell unter Beweis stellen wollen, ist diese Möglichkeit, jeden Schritt in ihrer Lieferkette zu optimieren und Transparenz zwischen den Akteuren zu gewährleisten, sehr attraktiv…
Son of a Tailor: Algorithmus für maßangefertigte Kleidung
Son of a Tailor vermeidet Abfall in der Produktion den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maßgefertiger Produktion en masse. Die dafür eingesetzte Plattform für Massenanfertigungen skaliert und kann so perfekt passende Kleidung ohne Ausschuss produzieren.
Ehrlichkeit gegenüber den Verbrauchern
Die Anliegen von Anja Philip vom Dänischen Verbraucherrat sind, das Problem der Überproduktion in den Griff zu bekommen sowie Zertifizierungen und ehrliche Kommunikation: „Die Überproduktion stellt jedoch nach wie vor eine große Herausforderung dar. Verantwortung umfasst den gesamten Kreislauf von der Produktion und dem Design bis zur Nutzung und Entsorgung – oder im besten Fall dem Recycling… Wenn die Verbraucher eine verantwortungsvollere Produktion unterstützen wollen, sind Zertifizierungsprogramme das beste verfügbare Mittel zum Zweck. Wichtig ist, sich für anerkannte Zertifizierungsprogramme zu entscheiden, die einer unparteiischen Kontrolle unterliegen und hohe Kriterien für die Produktionsstandards erfüllen. Ecolabel, oder GOTS, um nur einige zu nennen… Die Hersteller sollten nicht darauf verzichten, grüne Initiativen zu entwickeln, aber sie müssen ehrlich und ohne Übertreibung kommuniziert werden.“
Ganni: Transparenz und Ehrlichkeit über verantwortungsvolles Verhalten
Das Modelabe Ganni befindet sich im Zwiespalt zwischen Neuheiten und Konsum und dem Konzept der Nachhaltigkeit und kommuniziert das öffentlich. Sie wollen ehrlich statt perfekt sein. Dazu veröffentlichen sie einen jährlichen Rechenschaftsbericht und teilen die Fortschritte wöchentlich auf ihrem Instagram-Account @gannilab mit. Um Veränderungen voranzutreiben ist für Ganni die Veröffentlichung von Informationen zur Nachhaltigkeit entscheidend. Sie stelle sicher, dass man von seiner Community zur Verantwortung gezogen wird. Sie übernehmen eine aktive Rolle bei der Aufklärung und Information ihrer Zielgruppe und ermutigen ihre Community, sich an der sich ständig weiterentwickelnden Diskussion über Nachhaltigkeit zu beteiligen.